Wir veröffentlichen hier einen Bericht von zwei unserer Vorstandsmitglieder, die einige Tage in London verbracht haben:
Letzten Mittwoch, am 1.August 2018 haben wir uns am fünften Afrikan Emancipation Day Reparations March in London beteiligt. Gemeinsam mit Tausenden demonstrierten wir lautstark vom Windrush Square in Brixton bis zum Parlament.
Der Emancipation Day erinnert an den am 1. August 1833 beschlossenen „Abolition of Slavery Act“ („Gesetz zur Abschaffung der Sklaverei“). Die echte Emanzipation von Afrikaner_innen wurde durch das Gesetz aber nie erreicht. Im Gegenteil: Die weißen Profiteure der Versklavung wurden aus britischen Steuergeldern mit 20 Millionen Pfund für den Verlust ihres „Eigentums“ entschädigt (40% der damaligen Staatsausgaben, heute ca. 18 -19 Billionen Euro), während Afrikaner_innen bis heute unter Folgen und Fortsetzung der kolonialen Ungerechtigkeit leiden.
Es war das britische Parlament, das damals die Idee aufrechterhielt, das versklavte Afrikaner_innen und ihre Nachfahren keine Menschen sind, sondern Eigentum. Sie bezifferten den Marktwert unserer Leute in der Karibik auf 47 Millionen Pfund. Das britische Parlament entschied auch, dass die Versklavten nichts bekommen würden und sie durch das Gesetz sogar gezwungen werden, die verbleibenden 27 Millionen Pfund des eigenen Wertes bei ihren ehemaligen „Herren“ für 4 Jahre durch unbezahlte 45-Stunden Arbeitswochen abzuzahlen.
Vor Kurzem wurde bekannt, dass noch bis 2015 der Staat mit den Steuern seine Schulden abbezahlte, die für die Kompensation der Versklaver aufgenommen wurden.
Bei der Demonstration ging es nicht darum, die Regierung anzubetteln, sondern darum, zusammenzukommen, das gemeinsame Bewusstsein zu schärfen und die eigene Macht von unten aufzubauen. Wir gedachten und dankten unseren Ahn_innen, Freiheitskämpfer_innen und Märtyrer_innen, die sich zu ihrer Zeit gegen die verschiedenen Formen des Afrikanischen Völkermordes (Maangamizi) wehrten und für unsere Freiheit gekämpft haben.
Der Reparations March motiviert unsere Leute, das ganze Jahr über aktiv zu werden und zu bleiben, als Teil einer sozialen Bewegung, mit dem Ziel innere und äußerliche Reparationen und Befreiung zu erkämpfen.
Es gab eine offene politische Debatte auf dem Platz vor dem Parlament und es wurde eine Petition der Kampagne „Stop the Maangamizi“ eingereicht.
Wir demonstrierten für die folgenden Ziele und Vorhaben:
Dieser Marsch hat uns viel Kraft, Inspiration und Energie gegeben uns zu organisieren und noch aktiver zu werden im Kampf für die Befreiung Afrikas und aller Schwarzer Menschen weltweit.
Die Demo war geprägt von den Nachfahren und den Kämpfen der Windrush-Generation, der karibischen Arbeitsmigrant_innen, die eingeladen wurden das Land nach den sog. Weltkriegen wiederaufzubauen. Nach der Unabhängigkeit ihrer Heimatländer hatten sie ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten, ihre Papiere wurden jedoch ignoriert bzw. verbrannt. Die heutige Premierministerin Theresa May setzte ab 2012 auf das politische Programm der feindlichen Umgebung („hostile environment“), wodurch „illegale Migranten“ zur Ausreise gezwungen werden sollen. Dadurch wurde vielen der Windrush-Generation die Gesundheitsversorgung und Jobs entzogen und einige sogar inhaftiert und abgeschoben. Auch der Massenmord im Mittelmeer, die Unterdrückung von Geflüchteten und tödliche, rassistische Polizeigewalt sowie das Gedenken an den am 21. August 2008 im Polizeirevier von Brixton ermordeten Sean Rigg waren präsente Themen.
Auf der Demonstration waren alle Altersgruppen vertreten und für Kinder gab es eine Trump-Figur zum Boxen. Zahlreiche religiöse, panafrikanische, Bildungs-, Rastafari-, Jugend- und Frauenorganisationen waren dabei. Auch Aktivist_innen der Ovaherero und Nama, togoische Aktivist_innen, Mitglieder der Nation of Islam, der Bobo Shanti, der britischen Black Panthers und kontinentaler Landlosen- und Befreiungsbewegungen.
Besucht die Website www.reparationsmarch.org für mehr Infos. Hier eine Aufnahme des Marsches 2018 und eine Kurzdoku von 2015:
Am vergangenen Donnerstag waren wir zudem am Grenfell-Tower, einem Ort an dem vor gut einem Jahr, am 14. Juni 2017, hunderte Menschen in einem Sozialbau-Hochhaus verbrannten. Um zum Arbeiter- und Migrantenviertel rund um den Grenfell-Tower zu kommen, mussten wir vom U-Bahnhof eine lange Straße mit weißen Bonzenvillen auf beiden Seiten entlang gehen bis irgendwann aus der Ferne der weiß umhüllte Tower zu sehen war. Die neu angebrachte Wärmedämmung, deren Sicherheitsrisiken (z.B. leichtere Entflammbarkeit) den Verantwortlichen bekannt gewesen waren, aber aufgrund des billigeren Kaufpreises ausgewählt wurde, hatte Feuer gefangen und das Haus brannte für 24 Stunden. Die Anwohner_innen schufen im Viertel mehrere Gedenkorte mit Bildern, Erinnerungen und lieben Worten an die verstorbenen Kinder, Frauen, Männern, Schwestern, Brüder und Freund_innen.
Sie fordern Gerechtigkeit und das die verantwortlichen Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist nichts anderes als Terror, dass die Profitinteressen von kapitalistischen Unternehmen Viertel aufwerten, die Einwohner_innen vertreiben und bereit sind, hunderte Menschen zu ersticken und zu Asche verbrennen zu lassen. Hört dazu den Gedenksong von Lowkey und Mai Khalil.
Auf einer der Gedenk- und Mahnwände wurde in diesem Sinne auch die Heldin Assata Shakur gemalt und zitiert mit dem Satz:
Es gibt in der Geschichte keine Leute die sich dadurch befreien konnten, dass sie an das moralische Gewissen, der Menschen die unterdrücken, appelieren.“
ORGANIZE! ORGANIZE! ORGANIZE!