Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat auf Initiative des Bundesprogramms „Integration durch Sport“ die 2016 gestartete Fotokampagne „Wo ich herkomme? – Vom Sport!“ neu aufgelegt. Die Qualität unserer Vereinsarbeit hat dazu geführt, dass Africa United Sports Club durch den DOSB und den Hamburger Sportbund (HSB) als Stützpunktverein des Programms „Integration durch Sport“ anerkannt wurde. Für unseren Verein beteiligt Ruben Castro sich an der neuen Kampagne. Im folgenden spiegeln wir den Text, das Plakat und die Links dazu. Die Originalseite findet sich hier:
„Jeder Mensch hat seine Schlüsselerlebnisse, prägend fürs Leben. Als Schwarze Person haben sie leider oft mit Diskriminierung und Rassismus zu tun. Dass Deutschland dabei keine Ausnahme bildet, sollte sich auch dem letzten durch die zahlreichen Debatten und Demonstrationen des vergangenen Jahres offenbart haben. Und so kann Ruben Castro, der des Studiums wegen (Umweltingenieurwesen) vor einigen Jahren von Berlin nach Hamburg gezogen ist, natürlich von solchen Ereignissen erzählen – privaten wie öffentlichen. Eines der letzteren Art, an die sich viele erinnern werden, hat nicht nur den heute 26-Jährigen verändert, sondern das ganze Land.
Ruben Castro ging gerade auf die Oberstufe eines Neuköllner Gymnasiums als das Buch von Thilo Sarrazin ‚Deutschland schafft sich ab’ erschien – oder treffender formuliert: einschlug. Denn Sarrazins Thesen, nach denen die Integration von Muslimen in Deutschland misslungen sei, setzten einen gänzlich neuen Ton in der Debatte um Zuwanderung und Zusammenleben. „Das Buch, mit seinen krassen antimuslimischen und sozialdarwinistischen Aussagen, empfinde ich rückblickend als Wegbereiter für einen offeneren Rassismus in Deutschland“, sagt Ruben Castro. Eine Breitenwirkung entfaltete das Werk auch durch seine Auflage: Mit rund 1,5 Millionen Exemplaren wurde es zu einem der meistverkauften Sachbücher in der Bundesrepublik.
Als besonders bedrohlich und einseitig empfand Ruben Castro damals die Diskussionen in den Medien, denen auch der Unterricht in der Schule nichts entgegenzusetzen vermochte. „Es fand keine kritische Auseinandersetzung statt, keine richtige Einordnung der Thesen. Kurz danach wurden die brutalen Taten des NSU bekannt und mittlerweile gibt es in diesem Land offiziell über eintausend bewaffnete Neonazis, hunderte Todesopfer rassistischer und rechter Gewalt und Millionen von potenziell betroffenen Mitmenschen“, sagt er.
Ruben Castro, in seinen Erzählungen beeindruckend ruhig und sachlich, in der Erscheinung groß und athletisch („Ich bin mit dem Vorurteil konfrontiert worden, dass ich als Schwarzer Mensch angeblich von Natur aus sportlich, dumm oder aggressiv wäre“), hat von Kindheit an Basketball gespielt. Sehr gut sogar; der DBV Charlottenburg war sein Verein. Er gehörte zum ersten Jahrgang der Jugend-Basketball-Bundesliga und wurde in der Nachwuchsbundesliga aufgenommen. „Das Niveau der beiden Spielklassen ist sehr hoch gewesen, einige meiner ehemaligen Trainingskameraden haben es in den Profibereich geschafft“, sagt er. An die Jahre im Charlottenburger Verein erinnert er sich gern. „Es war gut, dort nicht das einzige Schwarze Kind zu sein, auch wenn es eigentlich besser wäre, wenn niemand sich überhaupt Gedanken machen müsste, aufgrund seiner Hautfarbe als Ausnahme zu gelten.“
In Hamburg engagiert sich der ehemalige Basketballer seit ein paar Jahren ehrenamtlich für „Africa United“. Der Verein in Hamburg Mitte hat sich auf die Fahne geschrieben, Schwarzen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen einen geschützten Raum vor Rassismus zu bieten, ihr Selbstwertgefühl im Kampf gegen Diskriminierungen zu stärken und das Bewusstsein für die Geschichte und Kultur der afrikanischen Länder und der afrikanischen Diaspora zu fördern. „Das ist ein Verein, wie er mir in einer Kindheit gefehlt hat“, sagt Ruben Castro.
Geradezu programmatisch für diesen Ansatz springen den Besucher*innen der Vereinswebsite Tommie Smith und John Carlos ins Auge. Die beiden US-Sprinter zählen zu den Ikonen der Black-Power-Bewegung, weil sie bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko bei der Siegerehrung jeweils ihre in einen schwarzen Handschuh gehüllte Faust vom Siegerpodium in den Himmel gereckt haben. Nach den Spielen geächtet und verbannt, hängt das Foto von Smith und Carlos heute im Museum des IOC in Lausanne.
Africa United hat eine Reihe von namenhaften finanziellen Förderer an seiner Seite, neben dem Bundesprogramm „Integration durch Sport“ zählen auch der FC St. Pauli und die Hamburger Bürgerstiftung dazu. Nicht weniger prominent geht es bei den ideellen und aktiven Unterstützerinnen zu, zu denen bekannte Athletinnen aus dem Profisport gehören. Etwa das Hamburger Handball-Supertalent Aimée von Pereira, die nach einem Jahr in Dänemark gerade nach Frankreich zum Erstligisten OGC Nizza gewechselt hat. Oder der mehrfache Kung-Fu-Weltmeister Emanuel Bettencourt, der den Verein seit der Gründung mit seinem eigenen Kampfsport-Studio TAIYO unterstützt. Und schließlich kommt auch aus dem Fußball Rückhalt, durch zwei gebürtige Hamburger: dem Bayern-Stürmer Eric Maxim Choupo-Moting und Otto Addo, einstiger ghanaischer National- und Bundesligaspieler, zuletzt Co-Trainer von Edin Terzić in Dortmund.
Jener Otto Addo, der in dem sehr sehenswerten Dokumentarfilm „Schwarze Adler“ (auf Amazon Prime und am 18. Juni 2021 im ZDF zu sehen) über Rassismuserfahrungen im deutschen Fußball zu Wort kommt und mit dem erschütternden Satz zitiert wird: „Ich habe Kontakt zu ganz normalen Menschen, und es sind dieselben Probleme wie vor 20, 30 Jahren.“ Otto Addo spricht diese Sätze im Film so ruhig und sachlich aus, wie Ruben Castro beim persönlichen Treffen von seinen Erfahrungen berichtet. Man kann sie schwer aushalten, die Sätze.“
Quelle: https://integration.dosb.de/5/aktionen/fotokampagne-wo-ich-herkomme-vom-sport, abgerufen am 11.05.2021