Am Sonntag, den 31. März 2019 fanden sich über 20 Kinder, Jugendliche und Erwachsene afrikanischer Herkunft und ihre Familien zum Workshop von Ta Set Neferu zusammen. Ta Set Neferu ist Alt-Ägyptisch und heißt soviel wie „Der Platz der Schönheit“. Dieser Workshop war bereits der dritte, den das Orga-Team erfolgreich und mit Unterstützung aus der Community realisieren konnte. Die Berichte zu den vorherigen Events findest du hier und hier.
Dank Claude Gbocho und dem Akonda- Eine Welt Cafe konnten wir erneut auf die Räumlichkeiten im Barmbek-Basch zurückgreifen.
Wir starteten mit einer Präsentation zum Thema Dreadlocks in den Tag. Gehalten wurde dieser von Tabitha, der Gründerin und Macherin von Tabatap. In ihren eigenen Worten steht Tabatap für „afrikanisch-karibische Mode mit einem ganz eigenen Stil. Ich liebe es, farbenfrohe afrozentrische Kleidung zu schaffen, die mein Erbe würdigt. Meine Designs sind eine Mischung aus afrikanischen, karibischen (jamaikanischen), Rasta, Reggae / Dancehall- und Streetstyles. Es ist mit Liebe handgemacht! Strahlende afrikanische Stoffe, einzigartige Siebdrucke und mehr…“
In einem inspirierenden und empowernden Vortrag, der im folgenden zusammengefasst ist, ging sie besonders auf die kulturelle, spirituelle und geschichtliche Bedeutung von Dreadlocks für Afrika und die Schwarze Diaspora ein.
So trugen wohl schon die Pharaonen in Kemet, dem „alten Ägypten“ Dreadlocks – es wurden sogar Mumien mit intakten Dreadlocks gefunden. Und in den Veden, den ältesten heiligen Schriften des Hinduismus, die aus der Zeit vor ca. 4500 Jahren stammen, wird der Gott Shiva als „jaTaa“ (Sanskrit für „lockstragend“) beschrieben.
Rastas tragen Dreadlocks als ein Zeichen von Natürlichkeit und in offener Ablehnung von westlichen/europäischen/weißen Schönheitsidealen.
Inspiriert wurden sie dabei unter anderem durch die Mau-Mau Krieger, die in Kenia gegen die brutale Herrschaft der weißen Siedler und gegen die Kolonialmacht Großbritannien kämpften und dabei wilde Locks trugen. Die Rastas in Jamaika sahen 1953 die ersten Fotos von Mau Mau Kriegern und identifizierten sich mit ihnen und begannen ihre Haare auch so zu tragen.
Der Name „Dreadlocks“ entspringt dem Umstand, dass die Locks auf die herrschende Klasse angsteinflößend wirkten. „Dread“ bedeutet übersetzt soviel wie „Furcht“ oder „Grauen“
Eine Schwarze Person, die die Haare lang und in ihrem natürlichen Zustand trug wurde als hässlich und beschämend beleidigt. Die Rastas mussten in den Anfangszeiten viele Diskriminierungen erleben und wurden von der Bevölkerung sowie dem Staat diskriminiert.
Am 12. April 1963 kam es in Coral Gardens bei Montego Bay auf Jamaika, zu einem äußerst brutalen Einsatz der Polizei gegen Rastafaris, wobei 8 ermordet und über 100 verletzt und verhaftet wurden. Einigen wurden sogar die Dreadlocks und die Kopfhaut abgeschnitten. Wir empfehlen dazu die Dokumentation „Bad Friday“, die auf Youtube zur Verfügung steht:
Eine weitere Inspiration zum Thema „Dreadlocks“ ist auch die biblische Geschichte Samsons, der das Nasiräer Gelübde ablegte und damit u.a. versprach sich niemals die Haare zu schneiden und kein Fleisch zu essen.
Auch äthiopische Widerstandskämpfer, die sich im Krieg gegen den faschistischen, italienischen Kolonialismus befanden, ließen sich die Haare wachsen und schworen, diese erst wieder zu schneiden, wenn der Kaiser zurück käme.
An dieser Stelle möchten wir auch auf Ras Daniel Heartman verweisen, einen sehr bekannten Rastakünstler aus den 1970er Jahren, der viele Portraits von Rastas zeichnete.
Die Rastabewegung und insbesondere die Popularität durch Reggae in den 70er Jahren, sorgte für die Verbreitung von Dreadlocks in der Afrikanischen Diaspora. Wir sollten dabei nie vergessen, dass die Ursprünge dieser Bewegung Antikolonial und Pan-Afrikanisch sind. Und dass es nicht um irgendeine Art von Hippie-OneLove geht, wie es uns heute oft präsentiert wird…
Bei freeform locks sprechen wir sozusagen von der Urform der Dreadlocks. Die Dreadlocks werden dabei nicht gedreht/interlockt bzw. extra „gemacht“. Das Haar wird einfach wachsen gelassen, nicht getrennt und so gehen die Haare, quasi wie Wurzeln ihren ganz natürlichen Weg.
Ein weiteres Beispiel vom Kontinent ist die Bayefall-Bewegung: Eine Bruderschaft muslimischer Senegalesen, die sehr bekannt sind für ihre langen Dreadlocks, ihre bunte Patchwork-Bekleidung, ihre spirituellen Amulette und ihre harte Arbeit.
Eine wichtige Person für sie ist Ibrahima Fall, ein Schüler von Scheich Amadou Bamba, der sich dem französischen Kolonialismus und dem Versuch alle einheimischen Religionen abzuschaffen, widersetzte. Die Bayefall selber sagen sie tragen keine Dreadlocks, sie nennen ihre Haare „NDIAGNE“, was kräftiges Haar bedeutet.
Dreadlocks waren eigentlich immer eine Art Statement, für viele sind sie spirituell und symbolisieren natürliche Freiheit und Verbundenheit zu Gott. Ebenso sind sie für andere politisch und ein Weg um gegen Anpassung und Unterdrückung zu rebellieren. Andere mögen einfach nur den Look. Wichtig ist, insbesondere für die letzte Gruppe zu verstehen, dass es für viele mehr ist als „nur Haare“ oder ein Hairstyle!
Im Anschluss an den Vortrag von Sista Tabitha führte das Ta Set Neferu Orga-Team eine Starter Locs Demonstration mit Interlocking durch. Mithilfe einer Häkelnadel begann Sista Zainab mit Sista Elong´s ersten Dreadlocks!
Nach einer kurzen Pause ging es weiter mit einer Videovorstellung zum Thema „Leave-In Conditioner benutzen – gesunde Afrolocken mit DIY Leinsamengel“
Bruder Kamga, als Teil des Orga-Teams sowie Vorstandsmitglied von Africa United Sports Club, riefen uns die Bedeutung vom pH-Wert, sowie der Porosität der Haare ins Gedächtnis und fasste die entsprechenden Experimente und wissenschaftlichen Hintergründe der Haarpflege nocheinmal zusammen.
Gemeinsam mit seiner Tochter berichtete er von den positiven Erfahrungen mit dem DIY-Leave-in-Conditioner. Zur Anschauung standen alle nötigen Materialien und ein fertiger, selbst produzierter Conditioner bereit, den mehrere Teilnehmer_innen direkt ausprobierten. Der gesamte Ablauf ist in dem folgenden Handout, das vor Ort verteilt wurde, zusammengefasst:
Zunächst müssen die Haare auf die Behandlung mit dem Leave-In Conditioner vorbereitet werden, damit diese das Produkt optimal aufnehmen können. Voraussetzung für ein optimales Pflegeergebnis ist, dass die Haarstruktur vor der Haarpflege geöffnet wird. Hierfür
eignet sich z.B. ein Spray (z.B. Leave In Spray-Conditioner Coconut von Urtekram), dass man mit etwas Apfelessig (weil säurehaltig und deshalb porositätsverringernd) anreichert. Die Menge an Apfelessig sollte immer auf den individuellen Haartyp abgestimmt sein.
Experimentiere ruhig mit der Apfelessig-Menge um herauszufinden, wie viel Apfelessig im Verhältnis zum restlichen Spray erforderlich ist, um das gewünschte Resultat zu erzielen.
Außerdem brauchst du ein Sieb, einen Filter und eine Flasche, in die du den Leave-In
Conditioner abfüllen kannst.
Das Wasser zum Kochen bringen, die Leinsamen hinzufügen und zwischenzeitlich umrühren, bis die Mischung schleimig wird. Anschließend die Mischung durch ein Sieb in eine Schüssel gießen, so dass die Leinsamen im Sieb hängen bleiben und nur der Schleim
in die Schüssel gelangt. Danach werden 5 EL Olivenöl, 2 EL Protein-Öl, ein paar Tropfen Teebaum-Öl sowie etwas ätherisches Öl deiner Wahl hinzugefügt. Die Mischung kräftig verrühren bis eine homogene Paste entsteht. Anschließend das Produkt strähnenweise in
das zuvor gewaschene und „vorbereitete“ feuchte Haar einarbeiten. Sollte Produkt übrig sein, kann dies in einen Eiswürfelmacher abgefüllt und eingefroren werden. Einfach die für deine Haare nötige Menge an Eiswürfeln 2-3 Stunden vor der nächsten Haarpflege-Session auftauen.
Mehr Infos zur Zubereitung und Anwendung des Leave-In Conditioners findest du in
folgenden Videos:
• Zur Zubereitung: hier klicken
• Zur Anwendung: hier klicken
Den ganzen Tag über nutzen mehrere Kinder und Eltern das Angebot, Bilder auszumahlen. Dabei entstand auch ein reger Austausch über die vorherrschenden, anti-Schwarzen Schönheitsideale und unseren Umgang damit. Außerdem standen selbst gebackene, leckere Kuchen und gesundes Obst, die von verschiedenen Teilnehmer_innen mitgebracht wurden, zur Verpflegung bereit.
Der gesamte Tag wurde durch Bruder Njeck von der Black Media Group dokumentiert, dabei unterstand auch die folgende Video-Zusammenfassung:
Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen, die dabei waren und den Workshop mitgestaltet haben!
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